Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) vermeldet neue Höchstwerte bei der Kundenzufriedenheit, vor allem beim Preis-Leistungs-Verhältnis.
Auslöser: das Deutschlandticket.
Doch was steckt aus Sicht der Customer Experience (CX) dahinter?
Und welche Chancen ergeben sich für andere Verkehrsunternehmen?
Worum geht es?
Dieser Beitrag analysiert die aktuellen Ergebnisse zur Kundenzufriedenheit im VRR, wie sie im VRR-Magazin veröffentlicht wurden. Dabei wird das Deutschlandticket nicht nur als verkehrspolitisches, sondern auch als strategisches CX-Instrument betrachtet.
Deutschlandticket bringt Bewegung in die Zufriedenheit
Laut aktueller Befragung im Auftrag des VRR hat sich der Anteil zufriedener Fahrgäste deutlich gesteigert; ein Trend, der auch in anderen Verbünden zu beobachten ist.
Besonders stark fällt der Zuwachs bei der Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses aus. Der einfache Zugang zum deutschlandweiten Nahverkehr für 58 Euro pro Monat wirkt offenbar wie ein Katalysator für wahrgenommene Fairness, Transparenz und Komfort.
Was hier wirkt, sind klassische CX-Hebel:
- Reduktion von Komplexität: Statt Tarifzonen, Waben und Preisstufen gibt es eine einfache Regel: ein Ticket, deutschlandweit.
- Emotionaler Mehrwert: Das Ticket vermittelt Freiheit, Planbarkeit und Zugehörigkeit: Werte, die weit über rationale Preisvergleiche hinausgehen.
- Neues Vertrauen: Die Ticket-Reform signalisiert, dass Politik und Verbünde bereit sind, auf die Bedürfnisse der Nutzer:innen zu hören.
CX-Erfolgsfaktoren: Was lässt sich aus dem VRR ableiten?
Der Fall VRR zeigt, wie stark Kundenzufriedenheit von strukturellen wie kommunikativen Maßnahmen beeinflusst wird. Ein günstiger Preis ist nur ein Teil der Wahrheit, der größere Hebel liegt in der Erlebnisoptimierung entlang der Customer Journey.
Einstieg vereinfachen
Die Einführung des digitalen Abos (Deutschlandticket als App oder Chipkarte) erleichtert den Zugang – gerade für neue Zielgruppen. Laut Bitkom-Studie (2024) nutzen 78 % der Deutschlandticket-Kund:innen inzwischen digitale Kanäle für Ticketkauf und Verwaltung.
Erwartungen managen
Das klare Leistungsversprechen („58 Euro, deutschlandweit“, 2025) schafft Orientierung und verringert kognitive Reibung. Entscheidend ist aber: Versprechen müssen eingehalten werden. Wenn zum Beispiel Pünktlichkeit oder Komfort nicht stimmen, sinkt die Zufriedenheit trotz günstigen Preises.
Kontinuierlich Feedback einholen
Der VRR erhebt regelmäßig Kundenmeinungen, ein wichtiges CX-Instrument. Feedback muss jedoch nicht nur erhoben, sondern auch systematisch analysiert und in Verbesserungen übersetzt werden.
Integration über Touchpoints hinweg
Auch wenn das Ticket bundesweit gilt: Die Erlebnisse im Bus, an der Haltestelle oder in der App sind lokal. Entscheidend für den Gesamteindruck ist deshalb, wie konsistent das Erlebnis entlang aller Kontaktpunkte ist, von der Buchung bis zur Beschwerde.
Blick über den VRR hinaus
Auch andere Verbünde berichten von gestiegener Kundenzufriedenheit im Kontext des Deutschlandtickets. Der MVV in München etwa meldete im Frühjahr 2024 eine Zunahme an Abo-Kund:innen um fast 30 % im Vergleich zum Vorjahr, verbunden mit positiven Rückmeldungen zur Preisgestaltung (Quelle: MVV Pressemitteilung, 03/2024).
Doch es zeigen sich auch Herausforderungen:
- Im VBB (Berlin-Brandenburg) wurde bemängelt, dass das Ticket wenig zur Verbesserung des Angebots in der Fläche beiträgt.
- In NRW gibt es weiterhin Kritik an überfüllten Zügen und Infrastrukturmängeln, die das positive Erlebnis trüben.
- Der Preis ist 2025 erheblich von 49 auf 58 EUR gestiegen. 2026 soll der Preis erneut steigen.
Kundenzufriedenheit ist kein statischer Wert, sondern Ausdruck eines Erlebnisses, das täglich neu gestaltet werden muss.
Fazit: Deutschlandticket als CX-Chance nutzen
Das Deutschlandticket zeigt, wie politische Entscheidungen und CX-Strategie zusammenspielen können. Für Verkehrsunternehmen ergeben sich daraus konkrete Ansatzpunkte:
- Einfachheit vor Perfektion: Komplexe Tarifsysteme sind CX-Gift.
- Feedbacksysteme stärken: Nicht nur messen, sondern lernen und handeln.
- Omnichannel-Ansatz denken: Das Ticket ist digital, das Erlebnis muss es auch sein.
- Erwartungen aktiv steuern: Klare Kommunikation statt stiller Enttäuschung.
- CX als Führungsaufgabe verstehen: Kundenerlebnis braucht Governance und Priorität.
Der VRR liefert mit seinem Rekordwert ein starkes Signal: Wer CX ernst nimmt, kann auch in traditionell trägen Bereichen wie dem ÖPNV positive Überraschungen schaffen.
Die nächste Etappe? Kundenbindung durch Servicequalität, nicht nur durch Preissignale.
