Immer komplexere Kundenanliegen, steigende Erwartungen und der Druck zur Effizienz: Moderne Serviceorganisationen stehen unter enormem Veränderungsdruck.
Mit Agentforce bringt Salesforce nun eine neue Plattform auf den Markt, die genau an diesem Punkt ansetzt und das Service-Erlebnis für Kund:innen wie Mitarbeitende neu denken will.
Doch hält das Versprechen auch einem fachlichen Blick stand?
Einordnung und Zielsetzung
Agentforce ist kein simples Add-on, sondern ein neu entwickelter Agent Workspace innerhalb von Salesforce Service Cloud.
Laut Salesforce basiert die Plattform vollständig auf der Einstein 1-Plattform und soll Serviceagent:innen durch KI-gestützte Vorschläge, Automatisierung und eine kontextreiche Oberfläche massiv entlasten.
Für CX-Verantwortliche stellt sich die Frage: Was genau ist Agentforce und wie fügt es sich in moderne Service-Strategien ein?
Was ist neu an Agentforce?
Agentforce kombiniert bewährte Servicefunktionen aus der Salesforce-Welt mit generativer KI, Datenintegration und Automatisierung.
Die Plattform versteht sich als zentrale Arbeitsumgebung für Serviceagent:innen, in der alle Kundeninformationen, Konversationen und Aktionen konsolidiert werden.
1. Nativ integrierte generative KI (Einstein Copilot for Service)
Ein zentrales Alleinstellungsmerkmal ist die Integration von Einstein Copilot.
Dieser KI-Assistent bietet Antwortvorschläge, Fallzusammenfassungen, Wissensartikel-Suchen und kann sogar Routineaufgaben ausführen.
Besonders interessant: Die Vorschläge basieren nicht nur auf generischer Logik, sondern auf der semantischen Auswertung strukturierter wie unstrukturierter CRM-Daten.
2. Automatisierung durch Flows und KI-Aktionen
Agentforce kombiniert klassische Flow-basierte Automatisierung mit vordefinierten KI-Aktionen, die von Agent:innen direkt im Interface ausgelöst werden können.
Damit lassen sich Standardprozesse beschleunigen, ohne das Interface zu verlassen, zum Beispiel durch automatische Rückerstattungen, Versandverfolgung oder Fallweiterleitung.
3. Einheitlicher Agent Workspace
Alle Interaktionen – ob per E-Mail, Chat, WhatsApp oder Telefon – laufen in einem konsistenten Interface zusammen.
Das ermöglicht nicht nur einen schnelleren Zugriff auf Kundendaten, sondern verbessert auch die First Contact Resolution durch vollständige Kontexteinsicht.
Das Backend bleibt dabei vollständig im Salesforce-Ökosystem, inklusive Case Management, Knowledge Base und Omni-Channel Routing.
4. Kontextuelle Datenverfügbarkeit via Data Cloud
Agentforce nutzt die Salesforce Data Cloud, um Echtzeitdaten aus verschiedenen Systemen bereitzustellen.
Das bedeutet: Informationen wie Produktstatus, Vertragsdaten oder Churn-Risiken können während des Gesprächs angezeigt werden, ganz ohne Systemwechsel oder manuelle Recherchen.
Für CX-Verantwortliche ist das ein essenzieller Schritt hin zur Echtzeitpersonalisierung im Service.
Potenziale für CX und Service-Organisationen
Steigerung der Agent-Effizienz
Durch Automatisierung, zentrale Datenverfügbarkeit und KI-gestützte Vorschläge reduziert Agentforce den manuellen Aufwand erheblich.
Studien zeigen, dass durch intelligente Agent Assistants wie Copilot eine Reduktion der Bearbeitungszeit um bis zu 30 % möglich ist (vgl. McKinsey, 2023).
Konsistentes Kundenerlebnis über Kanäle hinweg
Mit Agentforce lassen sich alle Kanäle im gleichen Interface bedienen, bei voller Synchronisierung der Fallhistorie.
Das verbessert die Kontinuität im Dialog und reduziert Wiederholungen auf Kundenseite. Ein zentraler Faktor für positive CX-Wahrnehmung laut Gartner (2024).
Skalierbare Personalisierung
Die Integration von Customer Data Platform, AI und kontextbasierten Vorschlägen ermöglicht erstmals eine skalierbare Hyperpersonalisierung im Service.
Agent:innen erhalten kontextuelle „Next Best Actions“, basierend auf Interaktionshistorie, Produktnutzung oder Sentimentanalyse.
Schnellere Einarbeitung neuer Mitarbeitender
Durch geführte Workflows und KI-Unterstützung können neue Agent:innen schneller produktiv arbeiten.
Das ist ein klarer Vorteil in Zeiten hoher Fluktuation im Kundenservice.
Herausforderungen bei der Umsetzung
So überzeugend die Plattform technisch erscheint, bleibt die Implementierung anspruchsvoll:
- Data Readiness: Ohne saubere, integrierte und gut strukturierte Datenbasis verpuffen viele KI-Funktionen. Die Einführung von Agentforce erfordert daher ein paralleles Data Governance-Projekt.
- Change Management: Der Wechsel zu einem KI-gestützten Arbeiten bedeutet für viele Teams eine radikale Umstellung. Schulung, Akzeptanzmanagement und iterative Einführung sind essenziell.
- Schattenprozesse aufdecken: Viele bestehende Serviceprozesse sind historisch gewachsen. Agentforce zwingt zur Prozessklarheit. Das ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung in Unternehmen mit fragmentierter Prozesslandschaft.
Technologische Einordnung: Salesforce bleibt Salesforce
Technisch gesehen ist Agentforce keine externe Plattform, sondern ein tief integrierter Teil der Einstein 1-Welt.
Für Unternehmen, die bereits auf Salesforce setzen, ist die Einführung damit eher eine Erweiterung als eine Migration.
Für alle anderen stellt sich hingegen die klassische Buy-or-Build-Frage, insbesondere bei der Frage nach langfristiger Plattformabhängigkeit und Datenhaltung.
Kritischer Blick auf das kommerzielle Modell
Salesforce verfolgt mit Agentforce – ähnlich wie mit Copilot – ein modulares Preismodell.
Die KI-Funktionen, insbesondere generative Funktionen, sind nicht im Basismodell enthalten, sondern erfordern zusätzliche Lizenzen (aktuell: Einstein 1 AI add-on).
Das neue Modell basiert auf sogenannten „Flex Credits“, bei dem jede Aktion eines KI-Agenten Credits kostet. Dieses verbrauchsbasierte Modell soll mehr Flexibilität und Kostentransparenz bieten, kann jedoch je nach Nutzung zu unterschiedlichen Gesamtkosten führen. Aktuelles Feedback von interessierten Unternehmen deutet darauf hin, diesen Punkt ernst zu nehmen.
Für CX-Verantwortliche ist es daher ratsam, die spezifischen Anforderungen und Nutzungsszenarien ihres Unternehmens sorgfältig zu analysieren und gegebenenfalls mit Salesforce-Vertreter:innen ode einem erfahrenen Dienstleister zu sprechen, um eine genaue Kostenabschätzung vorzunehmen.
Fazit: Agentforce ist ein Meilenstein: aber mit Bedingungen
Salesforce Agentforce ist ein technologisch starkes Produkt mit echtem Potenzial, den Service-Alltag zu transformieren.
CX-Verantwortliche können damit endlich die Lücke zwischen Kontext, Personalisierung und Effizienz schließen.
Die Plattform eignet sich vor allem für Unternehmen mit einer bestehenden Salesforce-Architektur und hohem Digitalisierungsgrad.
Allerdings ist Agentforce kein Plug-and-play-Tool:
Ohne Datenstrategie, Change Management und fundierte Bewertung der Lizenzmodelle bleibt das Potenzial ungenutzt oder wird zur Kostenfalle.
Wer diese Herausforderungen meistert, hat mit Agentforce jedoch einen echten CX-Beschleuniger in der Hand.
Drei Impulse für CX-Verantwortliche:
- Datenqualität zuerst prüfen: Ohne integrierte, saubere Daten ist KI nur Show.
- KI als Partner, nicht als Ersatz denken: Schulungen und Akzeptanzmanagement sind zentral.
- Kommerzielle Modelle hinterfragen: Kalkuliere alle Add-ons realistisch ein. Und verhandle. Das ist alles (noch) sehr neu.
