Online-Behördengänge als CX-Hebel für eine moderne Verwaltung

Ein Behördengang fühlt sich für viele Menschen noch immer wie ein Schritt zurück in die analoge Welt an.

Während Unternehmen mobile, automatisierte und KI-gestützte Services anbieten, dominieren in deutschen Ämtern Papier, Formulare und Medienbrüche.

Gleichzeitig wächst der Druck: Laut Bitkom sind Online-Behördengänge das wichtigste Digitalthema der Bevölkerung.

82 Prozent wünschen sich spürbare Fortschritte bei der digitalen Verwaltung. Das ist ein klarer Auftrag an Politik und Verwaltung.

Worum geht es?

Dieser Beitrag zeigt, warum digitale Verwaltung ein CX-Thema ist, wie sich Erwartungen verändert haben und welche Schritte Kommunen, Bund und Behörden jetzt priorisieren sollten.

Digitale Verwaltung wird zum CX-Entscheidungsfaktor

Die aktuelle Bitkom-Umfrage macht deutlich, dass Digitalpolitik für sechs von zehn Menschen wichtig ist.

Für 22 Prozent hat sie sehr große Bedeutung, weitere 38 Prozent stufen sie als eher wichtig ein.

Besonders im Fokus stehen digitale Verwaltungsleistungen: 82 Prozent der Befragten wünschen sich vor allem Fortschritte bei Online-Behördengängen und setzen dieses Thema an die Spitze aller digitalen Anliegen.

Dahinter folgen eine Vereinfachung des Datenschutzes und die Förderung digitaler Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen, die jeweils 72 Prozent wichtig sind. Verbraucherschutz im Internet, etwa beim Schutz vor Betrug im Online-Shopping, erreicht 66 Prozent Zustimmung.

Der Ausbau der Cybersicherheit liegt bei 64 Prozent, leistungsfähige Breitbandnetze bei 62 Prozent.

Der Grund ist einfach: Menschen vergleichen digitale Behördendienste nicht mehr mit anderen Behörden, sondern mit ihrem Alltag. Banking per App, Versicherungsservice im Chat oder mobile Ticketkäufe setzen den Standard.

Eine Verwaltung, die diesem Niveau nicht entspricht, erzeugt Frust und schwächt das Vertrauen in den Staat.

Was Bürger:innen heute von digitalen Behördengängen erwarten

Die Bitkom-Zahlen zeigen Erwartungen, die sich direkt aus modernen CX-Prinzipien ableiten lassen.

Einfachheit und Klarheit

Bürger:innen möchten Prozesse verstehen, ohne lange Anleitungen zu lesen. Sie wollen wissen, welche Unterlagen nötig sind, welche Schritte folgen und wie lange die Bearbeitung ungefähr dauert. Transparente Statusanzeigen würden viele Unsicherheiten nehmen, zum Beispiel durch eine einfache Ansicht: Antrag eingegangen, in Bearbeitung, Entscheidung getroffen.

Mobile und barrierefreie Nutzung

Der Alltag der meisten Menschen findet mobil statt. Viele Verwaltungsportale sind jedoch noch stark auf den Desktop ausgerichtet. Mobile-first, klare Navigation, gut lesbare Inhalte und barrierefreie Oberflächen sind zentrale Grundlagen für eine gute Experience. Wer unterwegs einen Antrag starten, zwischenspeichern und später fortsetzen kann, erlebt Verwaltung als zeitgemäß.

Sicherheit ohne Hürden

Die Forderung nach Vereinfachung des Datenschutzes bedeutet nicht, dass Bürger:innen weniger Schutz wollen. Es geht um weniger Komplexität und mehr Verständlichkeit. Transparente Datennutzung, klar erklärte Einwilligungen und Identifikationsverfahren, die nicht abschrecken, sind entscheidend. Sicherheit soll spürbar sein, aber nicht als Hindernis wirken.

Proaktive Kommunikation

Anstatt selbst nach Informationen zu suchen, erwarten Bürger:innen Hinweise zu fehlenden Unterlagen, Fristen oder Bearbeitungsständen. Eingangsbestätigungen, automatisierte Erinnerungen und verständliche Statusmeldungen sind in Unternehmen längst Standard, in Behörden aber noch selten.

Genau hier liegt ein großer CX-Hebel.

Ambivalenz bei KI und Chance für die Verwaltung

Die Bevölkerung wünscht sich laut Bitkom sowohl eine verlässliche Kontrolle und Regulierung von KI als auch mehr leistungsfähige KI aus Deutschland.

59 Prozent plädieren für klare Kontrolle von KI-Systemen, 47 Prozent erwarten stärkere Entwicklung moderner KI aus dem eigenen Land.

Dieses Spannungsfeld zeigt: Menschen wollen technologische Fortschritte, aber sicher und nachvollziehbar.

Für die Verwaltung eröffnet das großes Potenzial.

KI kann zum Beispiel:

  • Formulare dynamisch vereinfachen und nur relevante Felder anzeigen
  • Dokumente automatisch prüfen und auf Vollständigkeit kontrollieren
  • Nutzerfragen in verständlicher Sprache beantworten
  • Anliegen an die richtige Stelle routen und Wartezeiten verkürzen

Richtig eingesetzt wird KI zu einem wichtigen Baustein einer bürgernahen, gut erklärten Verwaltung.

CX-Hebel für moderne Online-Behördengänge

Damit digitale Verwaltung wirklich funktioniert, braucht es mehr als ein paar Portale. Entscheidend ist die konsequente Ausrichtung auf Nutzerbedürfnisse entlang der gesamten Reise.

End-to-end statt Formular-Digitalisierung

Viele Angebote sind heute nur digitale Kopien analoger Prozesse, etwa als PDF zum Ausdrucken oder Einscannen. CX-orientiertes Design geht weiter: Es denkt den Prozess durchgängig, vom ersten Informationsbedürfnis bis zur Entscheidung. Dazu gehören medienbruchfreie Abläufe, strukturierte Daten statt Dokumenten-Chaos und eine klare Nutzerführung mit wenigen, logischen Schritten.

Omnichannel statt Portalvielfalt

Derzeit existieren zahlreiche Portale, Apps und Eingänge in die digitale Verwaltung. Für Bürger:innen verschwimmen diese Grenzen. Sie wollen einen konsistenten Zugang, ein zentrales Konto und möglichst einmalige Dateneingaben. Informationen sollten dort verfügbar sein, wo sie gebraucht werden, unabhängig davon, über welchen Kanal der Einstieg erfolgt.

Voice of the Citizen nutzen

Kurze Feedbackschleifen nach digitalen Anträgen können Verwaltungsteams helfen, Prioritäten besser zu setzen. Einfache Rückfragen zur Zufriedenheit, zur Verständlichkeit der Formulare oder zu wahrgenommenen Hürden liefern konkrete Ansatzpunkte für Verbesserungen. Was im Unternehmenskontext als Voice of the Customer etabliert ist, kann im öffentlichen Bereich als Voice of the Citizen wirken.

Automatisierung gezielt einsetzen

Automatisierte Prüfungen, Validierungen und Benachrichtigungen entlasten Mitarbeitende und verkürzen Wartezeiten. So bleibt mehr Kapazität für komplexe Fälle, die echte menschliche Beurteilung erfordern. Bürger:innen erleben schnellere Reaktionszeiten und klarere Kommunikation, was unmittelbar auf die wahrgenommene Servicequalität einzahlt.

Digitale Experience wird zum Vertrauensfaktor

Digitale Verwaltungsleistungen sind nicht nur ein Komfortthema. Sie beeinflussen, wie handlungsfähig und modern Bürger:innen den Staat wahrnehmen. Wenn Prozesse funktionieren, erleben Menschen direkte Verbesserung in ihrem Alltag. Das stärkt das Vertrauen in staatliche Leistungsfähigkeit und politische Entscheidungen.

Schlechte digitale Erlebnisse haben den gegenteiligen Effekt: Sie verstärken das Bild von Bürokratie, Überforderung und Rückstand. Verwaltung wird an den Touchpoints beurteilt, an denen Menschen Leistungen tatsächlich nutzen, nicht in Strategiepapiaren.

Was Verwaltungen jetzt tun sollten

Bürgerreisen modellieren

Prozesse sollten konsequent aus Sicht der Menschen betrachtet werden, die sie nutzen. Customer-Journey-Mapping hilft dabei, alle Schritte zu verstehen, Hürden zu identifizieren und Informationslücken sichtbar zu machen. Erst dann ergeben technische Entscheidungen wirklich Sinn.

Komplexität entschlacken

Klare Sprache, einfache Navigation und logisch geführte Antragswege sind kein Nice-to-have, sondern zentral für Akzeptanz. Weniger Felder, weniger Fachjargon, mehr Erklärungen an der richtigen Stelle: So entsteht eine Experience, die Menschen nicht abschreckt.

Digitale Identität vereinfachen

Ein zentrales, sicheres und für alle Verwaltungsdienste nutzbares Identitätsverfahren würde viele Pain Points auflösen. Wer sich nur einmal verlässlich identifizieren muss und dieses Konto für verschiedene Leistungen nutzen kann, erlebt digitale Verwaltung deutlich reibungsärmer.

Fazit

Online-Behördengänge sind das wichtigste Digitalthema der Menschen in Deutschland und zugleich einer der stärksten CX-Hebel im öffentlichen Sektor. Bürger:innen erwarten einfache, schnelle und transparente digitale Prozesse.

Wenn Verwaltungen CX-Prinzipien übernehmen, KI sinnvoll einsetzen und Abläufe konsequent aus Nutzersicht gestalten, entsteht eine Verwaltung, die wirklich entlastet und Vertrauen stärkt.