Die Zukunft des ÖPNV 2025: Wie Customer Experience die Mobilitätswende vorantreibt

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) steht vor einer fundamentalen Transformation.

Klimaziele, Technologie, neue Nutzererwartungen und wirtschaftliche Zwänge treffen aufeinander.

Im Zentrum dieser Entwicklungen steht ein entscheidender Erfolgsfaktor: die Customer Experience (CX).

Wer künftig Menschen für Bus, Bahn, Sharing und On-Demand-Angebote begeistern will, muss ihre Erwartungen verstehen und konsequent in den Mittelpunkt stellen.

Netto-Null-Städte: Klimaziele als CX-Treiber

Städte wie Hamburg und Berlin forcieren den Umbau ihres Verkehrssektors zur Klimaneutralität.

Hamburgs Hochbahn etwa will ihre Busflotte bereits Anfang der 2030er Jahre komplett auf emissionsfreie Antriebe umstellen. Der „Hamburg-Takt“ verspricht allen Bürgern innerhalb von fünf Minuten ein ÖPNV-Angebot in hoher Qualität. Berlin betreibt bereits eine der größten E-Bus-Flotten Deutschlands.

Für die Fahrgäste bedeutet das mehr als nur saubere Busse: Es geht um ein attraktives Gesamtpaket. Echtzeit-Informationen zur CO2-Ersparnis je Fahrt oder personalisierte Anreize für umweltfreundliches Verhalten können die Umstiegsbereitschaft erhöhen und den Modal Shift unterstützen.

Doch Klimaneutralität ist nur dann erfolgreich, wenn die Angebote auch emotional überzeugen. Nutzer schätzen Informationen über ihren eigenen Umweltbeitrag, Gamification-Elemente für nachhaltige Mobilität und transparente Kommunikation über die Herkunft der genutzten Energie. So wird Klimaschutz persönlich erfahrbar.

Angepasster Betrieb: Flexibilität für lokale Bedarfe

Immer mehr Verkehrsunternehmen setzen auf flexible, bedarfsgerechte Angebote. Der HVV betreibt mit „hvv hop“ ein On-Demand-Shuttle-System, das peripher gelegene Gebiete effizient anbindet. Mit über 1,1 Millionen Fahrgästen und einer Wieder-Nutzungsrate von 87% zeigt sich der Erfolg solcher Lösungen.

Für eine optimale Customer Experience sind dabei Daten entscheidend. Nur wenn Nachfrage-Spitzen und Lücken erkannt werden, lassen sich On-Demand-Angebote effizient steuern. Machine Learning-Modelle können saisonale Schwankungen, Großveranstaltungen oder Wetterbedingungen berücksichtigen.

Ebenso wichtig ist eine nahtlose Buchung über zentrale Apps, die sowohl klassische Linien als auch flexible Angebote integrieren. Hier entscheidet sich die Qualität der Nutzererfahrung oft an wenigen Klicks.

MaaS & Multimodalität: Mobilität als Lifestyle

Mobilität wird zunehmend als Lifestyle-Produkt verstanden. Plattformen wie „hvv switch“ in Hamburg oder „Jelbi“ in Berlin bündeln verschiedenste Verkehrsträger – von Bus und Bahn über Carsharing bis zum E-Scooter. Mikromobilität boomt: 84% der Deutschen sehen Sharing-Angebote als umweltfreundliche Alternative.

Hier wird Customer Experience zur Königsdisziplin: Ein Konto, eine App, ein Preis – unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel. Intelligente Empfehlungen, wie zum Beispiel wetterabhängige Freiminuten für das Leihrad, schaffen positive Impulse. Entscheidend ist das reibungslose Zusammenspiel aller Partner.

Dabei wächst die Erwartung an Personalisierung: Push-Nachrichten, die tagesaktuelle Routenvorschläge liefern, basierend auf bisherigen Nutzungsdaten, schaffen Mehrwert und fördern langfristige Nutzung.

Menschen im Mittelpunkt: Inklusion, Sicherheit und Komfort

ÖPNV muss für alle zugänglich sein. Neben barrierefreien Fahrzeugen und Stationen braucht es auch digitale Lösungen: Der HVV entwickelte beispielsweise eine App speziell für seh- und hörbehinderte Menschen.

Studien zeigen, dass Fahrgäste vor allem vier Dinge erwarten:

  • einfache Planung,
  • leichte Bezahlung,
  • verlässliche Informationen,
  • Sicherheit.

Auch das Personal rückt in den Fokus: alternde Belegschaften, Gewinnung weiblicher Fachkräfte und Auswirkungen von KI auf Arbeitsplätze stellen neue Herausforderungen dar. Gleichzeitig wird soziale Verantwortung wichtiger: vergünstigte Tickets, Maßnahmen gegen Belästigung und Gewalt sowie gelebte Diversität stärken das Vertrauen in den ÖPNV.

Hier gewinnt auch die Gestaltung der Infrastruktur an Bedeutung. Helle, gut einsehbare Haltestellen, intuitives Leitsystem und schnell erreichbare Hilfsfunktionen schaffen Sicherheit und Orientierung; wichtige CX-Faktoren, besonders für vulnerable Gruppen.

Technologie & Digitalisierung: Der Enabler der CX-Revolution

Technologien wie Künstliche Intelligenz, Cloud-Plattformen, Cybersecurity und Automatisierung verändern den ÖPNV grundlegend. Autonome Shuttles stehen mit Projekten wie MOIA in Hamburg kurz vor dem Durchbruch. Digitale Ticketsysteme mit kontaktlosem Bezahlen, Check-in/Be-out-Lösungen und intelligente Routenplaner gehören längst zum Standard.

Für die Customer Experience bedeutet das: bessere Prognosen, personalisierte Routen, 24/7-Chatbots und reibungsloser Service über alle Touchpoints hinweg. Beispielsweise kann eine App bei Überfüllung automatisch alternative Verbindungen vorschlagen.

Wichtig bleibt: Technik muss dem Menschen dienen.

Systeme, die proaktiv auf Störungen reagieren, dem Fahrgast Alternativen vorschlagen und gleichzeitig den Betriebsablauf optimieren, schaffen echten Mehrwert.

Nachhaltigkeit & Resilienz: CX auch in Krisenzeiten sichern

Neben Klimaschutz geht es auch um Krisenfestigkeit. Resiliente Netze, flexible Notfallpläne und datengetriebene Steuerung machen Städte widerstandsfähig gegen Extremwetter, Pandemien oder wirtschaftliche Krisen.

So entsteht Kundenerlebnis selbst unter Stress: Verlässliche Alternativen, Echtzeit-Informationen bei Störungen und Transparenz zum eigenen CO2-Fußabdruck schaffen Vertrauen. Hamburg setzt hier auf Urban Data Plattformen, die Verkehrsströme intelligent steuern.

Datengetriebene Personalisierung: Der Schlüssel zu smarter CX

Die Nutzung von Kundendaten eröffnet riesige Potenziale. Mobilitäts-Apps können mit Hilfe von KI individuelle Routenvorschläge, Ticketbündel und Benachrichtigungen erstellen. Predictive Analytics ermöglicht die Vorhersage von Stoßzeiten und Engpässen.

Beispiel: Weicht ein Fahrgast aufgrund einer Störung auf alternative Verkehrsmittel aus, kann die App automatisch freie Leihräder oder E-Scooter entlang der neuen Route vorschlagen. Solche Erlebnisse stärken das Vertrauen und fördern die Akzeptanz neuer Angebote.

Auch im Marketing lassen sich diese Daten aktivieren: zielgerichtete Kampagnen, personalisierte Newsletter und maßgeschneiderte Angebote entstehen auf Basis einer 360°-Kundensicht.

Omnichannel-Information & Feedback-Management

Fahrgäste erwarten konsistente Informationen, egal ob in der App, am Bahnsteig, auf Social Media oder im Callcenter. Ein synchronisierter Omnichannel-Ansatz sorgt für Vertrauen und Orientierung.

Moderne Feedbacksysteme helfen, Schwächen frühzeitig zu erkennen. Smarte Auswertung von Kundenkommentaren – auch per KI-gestützter Textanalyse – ermöglicht schnelle Reaktionszyklen. So kann etwa nextbike analysieren, wo häufig Räder fehlen, und gezielt nachsteuern.

Regelmäßige NPS-Umfragen (Net Promoter Score) geben zusätzlich Aufschluss über die Wirksamkeit neuer Angebote und ermöglichen eine kontinuierliche Optimierung.

UX-Optimierung & Inklusive Gestaltung

Barrierefreie und intuitiv bedienbare Apps sind Grundvoraussetzung für hohe Akzeptanz. UX-Research mit echten Nutzergruppen – von Senioren über Touristen bis hin zu mobilitätseingeschränkten Fahrgästen – deckt Optimierungspotenziale auf.

Gamifizierte Elemente wie Challenges oder Belohnungen können zusätzlich die Nutzung fördern. Beispiel: nextbike könnte Vielfahrer mit Abzeichen oder Freiminuten belohnen und so die Kundenbindung spielerisch stärken.

Auch Performance und Zuverlässigkeit der Apps spielen eine zentrale Rolle. Schnelle Ladezeiten, offline verfügbare Tickets und ausfallsichere Systeme sichern die Nutzbarkeit, selbst bei hohem Verkehrsaufkommen.

Hyperautomation in Service & Betrieb

Hyperautomation kombiniert verschiedene Automatisierungstechnologien, um Prozesse nahtlos zu steuern. Im Kundenservice sorgen Chatbots für 24/7-Auskunft, während Robotic Process Automation (RPA) interne Abläufe wie Erstattungsanträge automatisiert.

Sensorik und IoT können technische Störungen an Stationen automatisch melden und priorisieren. So erhalten betroffene Fahrgäste proaktiv Informationen und alternative Routenvorschläge. Automatisierte Workflows entlasten das Personal und erhöhen gleichzeitig die Servicequalität.

Kundenbindung und Loyalty-Programme

Moderne Loyalty-Programme erweitern die CX über die reine Fahrt hinaus. Programme wie der „BVG Club“ belohnen Stammkunden und schaffen eine emotionale Bindung.

Denkbar sind punktbasierte Systeme, Freimonate für nachhaltiges Verhalten oder Co-Marketing-Angebote mit lokalen Partnern. Wichtig ist, diese Angebote intelligent mit Nutzungsdaten zu verknüpfen, um maximal relevante Anreize zu bieten.

So entstehen aus Gelegenheitsfahrern treue Stammkunden: ein entscheidender Wettbewerbsvorteil im umkämpften Mobilitätsmarkt.

Fazit: CX entscheidet über die Zukunft des ÖPNV

Der ÖPNV der Zukunft wird nur dann erfolgreich sein, wenn er konsequent an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet wird.

Customer Experience ist der rote Faden, der Klimaziele, Digitalisierung, wirtschaftliche Effizienz und soziale Verantwortung verbindet.

Wer es schafft, Technologie empathisch einzusetzen und echte Mehrwerte entlang der gesamten Customer Journey zu schaffen, wird nicht nur Fahrgastzahlen steigern, sondern aktiv zur Mobilitätswende beitragen.

Inspiration durch den UITP Summit Hamburg 2025

Die hier beschriebenen Trends, Strategien und CX-Potenziale sind maßgeblich inspiriert durch die Themen und Diskussionen des UITP Summit Hamburg 2025. Der UITP als internationaler Verband für öffentlichen Verkehr bietet eine beeindruckende Plattform, auf der Mobilitätsexperten, Städte, Verkehrsunternehmen und Technologieanbieter gemeinsam die Zukunft des ÖPNV gestalten.

Die vielfältigen Sessions und Impulse des UITP haben mir einmal mehr gezeigt, wie entscheidend der ganzheitliche Blick auf Customer Experience im Mobilitätssektor ist. Viele der hier dargestellten Entwicklungen wurden dort intensiv diskutiert und haben diesen Beitrag mit wertvollen Ideen und Praxisbeispielen angereichert.